Grußwort zur Eröffnung der Tagung „Bayern und die Ukraine: Politik, Identität und Tracht“

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Grußwort zur Eröffnung der Tagung „Bayern und die Ukraine: Politik, Identität und Tracht“

Die Beauftragte der Bayerischen Staatsregierung für Aussiedler und Vertriebene, Dr. Petra Loibl

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde,

Bayern und die Ukraine sind befreundete Länder. Uns verbindet sehr viel, historisch, kulturell und auch von der Mentalität her. Wie die Ukrainer sind auch wir Bayern Freigeister, für die die Freiheit einen ganz zentralen Stellenwert besitzt. Was lag also näher, als dass sich unsere beiden Länder zusammengetan haben? Nicht erst seit der Partnerschaft von 1990 pflegen der Freistaat und die Ukraine intensive Kontakte. Nein, schon kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs hatte die Ukrainische Freie Universität ihren Sitz nach München verlegt. Sie war ein Zentrum des geistigen Widerstands gegen die sowjetische Fremdherrschaft, und ist eine akademische Einrichtung von herausragender Qualität geblieben. Auch heute steht die Ukraine wieder im Kampf um ihre Freiheit. Dieses Mal geht es gegen einen neuen Imperialismus, etwas, was wir in Europa überwunden zu haben glaubten.

Viel zu lange haben Politik, aber auch Wissenschaft und Gesellschaft in Deutschland die Ukraine nicht als Subjekt ihrer eigenen Geschichte betrachtet. Wir haben sie im wahrsten Sinne des Wortes mit anderen – und nicht mit eigenen – Augen wahrgenommen. Warum etwa hat man, als es um Bewältigung der deutschen Vergangenheit und der furchtbaren Verbrechen des Dritten Reiches im Osten Europas ging, nicht stärker thematisiert, dass sich diese nicht nur in Russland, sondern zum großen Teil auch in der Ukraine, in Belarus, im Baltikum und in Polen abgespielt haben, den Gebieten also, die Timothy Snyder einmal „Bloodlands“ genannt hat? Diese Ignoranz war ein historischer Fehler mit fatalen Konsequenzen. Denn er hat uns übersehen lassen, wie sich die Welt verändert hat, und die Gespenster des 19. und 20. Jahrhunderts vor unseren Augen wiederauferstehen.    

In der Geschichte der Ukraine gab es viele Deutsche, die dort eine neue Heimat gefunden haben. Für sie waren die Weiten der Ukraine ein Land der Chancen. Hier boten sich oftmals Perspektiven, die sie zuhause nicht hatten – ganz gleich, ob es nun um größeren Wohlstand und Abgabenfreiheit oder aber um den Wunsch nach freier Religionsausübung ging. Manche zog es nach Wolhynien oder Galizien, andere ans Schwarze Meer. Erinnert sei auch an die Schönbornfranken, die vor rund 250 Jahren ihr Zuhause am Main verließen, um in Transkarpatien eine neue Heimat zu finden. Sie alle – und ihre Nachkommen – bilden bis heute die Gemeinschaft der Ukrainedeutschen und sind ein weiteres wichtiges Bindeglied zwischen unseren beiden Ländern. Gleiches gilt auch für die Landsmannschaft der Karpatendeutschen aus der Ukraine, die es in dieser Form nur bei uns in Bayern gibt.  

Die deutsche Bevölkerung in der Ukraine, die heute noch gut 30.000 Seelen zählt, ist auch ein Thema dieser Tagung. Das Seminar steht unter dem Motto „Bayern und die Ukraine. Politik, Identität und Tracht“. Dabei behandeln Sie drei Tage lang die unterschiedlichsten Themen – von Politik geht es über Geschichte bis zur Kultur. Sie erwarten neue Erkenntnisse und überraschende Einsichten, vor allem aber viele gute Gespräche und belebende Eindrücke. Das ist das Schöne und Bereichernde an Veranstaltungen wie der heutigen des HDO und der HSS. Ich habe schon einige von ihnen als Beauftragte begleiten dürfen, und ich habe sie immer als einen großen Gewinn auch für mich persönlich erlebt.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

28 April 2025
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