BdV und BMI im Dialog über notwendige Gesetzesänderungen
„Die Bundesregierung steht zur Fortsetzung der Spätaussiedleraufnahme.“ Mit dieser deutlichen Feststellung eröffnete die Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Natalie Pawlik MdB, am 8. Mai 2023 in Berlin ein Gespräch zwischen dem BdV und dem Bundesministerium des Inneren und für Heimat (BMI). Um das Gespräch hatte der BdV gebeten, auch um Ergebnisse der Besprechung zwischen den Spitzen des Verbandes mit dem Präsidenten des Bundesverwaltungsamtes, Christoph Verenkotte, am 18. April 2023 zu vertiefen. An den Beratungen beteiligt waren neben der Bundesbeauftragten Pawlik auch BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius, der Bundesvorsitzende der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland, BdV-Vizepräsident Johann Thießen, die Fachabteilung des Ministeriums und die BdV-Bundesgeschäftsstelle.
Eingeleitet wurde der offene und konstruktive Austausch durch eine Bestandsaufnahme aktueller Probleme in der Spätaussiedleraufnahme und die gemeinsam erörterte Frage, wie diesen Problemen – etwa durch Konkretisierungen des Bundesvertriebenengesetzes – begegnet werden kann. Dringendste Aufgabe, so waren sich beide Seiten einig, sei die Korrektur der Verwaltungspraxis zu Aufnahmeanträgen, in welchen ein früher bzw. zum Zeitpunkt der Antragstellung noch vorhandenes, sogenanntes „Gegenbekenntnis“ – also die Eintragung einer nichtdeutschen Volkszugehörigkeit in Urkunden aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion – trotz deutscher Abstammung und Sprache zur Ablehnung der Anerkennung als Spätaussiedler führt.
BdV-Präsident Fabritius bedauerte die aktuelle Situation, begrüßte aber, dass die Fachabteilung des BMI inzwischen an einer Gesetzesänderung zu offenen Fragen arbeite. Dankbar sei er für die bereits erfolgte Einführung eines, auch vom BdV angeregten, Moratoriums, nach welchem Antragsverfahren, in denen das Thema „Gegenbekenntnis“ eine Rolle spielt, bis zur legislativen Klärung ruhend gestellt werden. So würden weitere Ablehnungen vermieden.
Ziel der Klarstellungen im BVFG in diesem Bereich sollte die Festlegung sein, dass die erfolgreiche Korrektur eines in der Vergangenheit einmal vorhandenen Gegenbekenntnisses aus der sowjetischen Zeit oder jedenfalls ernsthafte Bemühungen um eine Korrektur zutreffend als (erneute) Hinwendung zum deutschen Volkstum zu werten sind und nicht weiter zur Ablehnung ansonsten begründeter Aufnahmeanträge führen.
Dies entsprach auch der Sichtweise des BMI, das die Gesetzesänderung „mit Hochdruck“ vorbereite und eine zügige Wiederaufnahme der aktuell ruhenden Anträge nach Änderung der Rechtslage in Aussicht stellte. Ebenso sei beabsichtigt, durch Verfahrensregelungen dafür Sorge zu tragen, dass auch mit der Begründung „Gegenbekenntnis“ negativ beschiedene Verfahren nach einer Rechtsänderung wiederaufgenommen werden könnten.
Spätaussiedleraufnahme im Härtefallverfahren
Fabritius und Thießen lenkten das Augenmerk auch auf die Spätaussiedleraufnahme im Härtefallverfahren aus der Ukraine und aus Russland, die angesichts des andauernden Krieges Betroffene weiterhin vor große Herausforderungen stellt. Die den Betroffenen kurz nach Kriegsbeginn eingeräumte „Frist“ von sechs Monaten, in der sie sich zunächst nach dem Aufenthaltsgesetz registrieren lassen und somit vor Antragstellung fehlende Nachweise erbringen können, sei ein wichtiger erster Schritt gewesen. Es zeige sich jetzt jedoch, dass dieser Zeitraum in der Praxis für eine angemessene Falllösung nicht ausreichend sei.
Viele der Betroffenen könnten in der besonderen Situation einer Kriegsflucht und in einem schon dem Grunde nach vorübergehenden Schutz-Aufenthalt in einem Staat der Europäischen Union (aufgrund der Richtlinie 2001/55/EG, in Deutschland gem. Art. 24 des Aufenthaltsgesetzes) weder die notwendigen Unterlagen beibringen noch überhaupt eine feste und verbindliche Entscheidung über einen dauerhaften Zuzug nach Deutschland treffen.
Fabritius bat daher darum, in geeigneter Weise klarzustellen, dass während eines kriegs-, gewalt- oder verfolgungsbedingten Aufenthaltes außerhalb des Aussiedlungsgebietes, der schon seiner Genese nach nur vorübergehend sei, der feste Wohnsitz im Krisengebiet nicht als „aufgegeben“ angesehen werde und dieser vorübergehende Aufenthalt daher für die spätere Spätaussiedleraufnahme unschädlich sein solle. Dabei müssten die für den vorübergehenden Schutzstatus geltenden Fristen auch für die Beurteilung im Aufnahmeverfahren gelten.
So könnten – beispielsweise durch einen Ministererlass – die vollen Möglichkeiten des Aufenthaltsgesetzes auch für spätere Aufnahmebewerber ausgeschöpft werden. Dieses sehe im Einklang mit europäischen Bestimmungen einen „vorübergehenden Schutz“ von bis zu zwei Jahren vor. Ein kriegsbedingtes Verlassen des Aussiedlungsgebietes würde also nicht zulasten des Aufnahmeanspruches gehen, sodass etwa die Deutschen aus der Ukraine nach dem Krieg in ihre Heimat zurückkehren und dann ohne Zwang und Not eine Ausreiseentscheidung treffen könnten. Damit wäre den vom Krieg gepeinigten und von Heimatverlust bedrohten Menschen sehr geholfen, so der BdV-Präsident.
Fabritius und Thießen regten an, aufgrund der Dringlichkeit und der Komplexität der Fragestellungen eine baldige Sitzung des Aussiedlerbeirates beim BMI anzuberaumen. Beide Seiten vereinbarten die Fortsetzung eines möglichst direkten und konstruktiven Dialogs, sowohl auf Spitzen- als auch auf Arbeitsebene.